Deutschland, Anfang Juni 2009. Daimlermanager sind gehalten, nicht zu häufig in die Werke zu gehen, um »eine ungute Stimmung zu vermeiden«. Die Polizei beobachtet den Verlauf der Wirtschaftskrise. Noch gibt es keinen Anstieg der Gewalt, sie bereitet sich aber vor. Noch gibt es keine Massenentlassungen. Die Behörden bereiten sich aber vor. Es ist eine seltsame Zeit, eine Zwischenzeit, in der alles auf dem Spiel steht. ...
In den letzten beiden Heften hatten wir den Schwerpunkt auf die weltweite Proletarisierung und Berichte zu den Auswirkungen der globalen Krise gelegt. Diesmal liegt das Schwergewicht auf den strategischen Zügen der kapitalistischen Krise (»spekulatives Kapital«, »internationale Zahlungsungleichgewichte«, drohendes Platzen der »Mutter aller Blasen«). [weiter...]
»Bossnapping« und andere Vorkommnisse in Frankreich
Jean-Paul Sartre fand die Bossnappings in Frankreich 1968 ff. gut, denn: »Wenn ein Chef seine Beschäftigten um Erlaubnis fragen muss, wenn er pinkeln muss, ist das ein großer Schritt nach vorne«. Die englische Financial Times zitierte diesen Spruch unter dem Bild eines grinsenden, gekidnappten Unternehmers, dem Chef von Moët & Chandon, den »seine« Arbeiter im Sommer 1993 im Büro eingeschlossen hatten mit nur ein paar Flaschen Champagner als Proviant. Anschließend gab die FT Tipps für den Fall der Fälle: vor Verhandlungen wenig trinken, unauffällig Zahnbürste und Pyjama einpacken usw. Vor allem aber »don‘t panic! Bossnapping gehört zur französischen Kultur wie Baguettes und Briekäse.« Ganz anders die Aufgeregtheit bei vielen deutschen Linken über die »französischen Zustände«, die immer wieder die hiesigen ArbeiterInnen auffordern, »lernt endlich Französisch!« Ein Genosse aus Frankreich hat einen realistischeren Blick aufs Bossnapping.
Jahrzehntelang wurde die »Dienstleistungsgesellschaft« und das Ende der Industriearbeit propagiert. Heute ist die Presse voll mit Berichten über die volkswirtschaftliche Bedeutung der Autoindustrie und mit Bildern von Arbeitern. Texte und Bilder rufen: »Das soll zu Ende sein?! – Unvorstellbar!!« [...] "
Strukturkrise, Konjunkturkrise und Finanz-/Bankenkrise kommen zusammen. Die aktuelle Krise ist nicht »zyklisch«, sondern stellt einen »Bruch« dar. Kein Lebender hat eine Krise dieser Tiefe schon mal erlebt. Niemand weiß, wie viele Billionen fauler Kredite noch abgeschrieben werden müssen. Die »Geschäftsmodelle« der letzten 35 Jahre (Investment Banking, Hedge Fonds, Derivatehandel, »Heuschrecken«…) sind am Ende. [weiter ...]
Wir hatten Leute in verschiedenen Ländern gebeten, ihre Beobachtungen zu den Auswirkungen der Krise aufzuschreiben.
Neben vielen anderen ist auch der folgende Bericht aus England in der Wildcat 83 abgedruckt.
Leben mit der Krise
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Die Rückkehr der »Erdbeerpflücker«
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»Die Arbeitsplatzverluste haben noch nicht einmal richtig angefangen.«
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»Wir bewegen uns in eine weltgeschichtliche Situation hinein, in der alle Weichen des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Lebens neu gestellt werden. Für meine Generation wird es nach den Jahren 1967 bis 1973 der zweite Epochenumbruch sein. Alle wichtigen Fakten und Indikatoren der letzten Wochen weisen darauf hin, dass eine Weltwirtschaftskrise begonnen hat, die schon jetzt das Ausmaß der Krise von 1973 und der Zwischenkrisen von 1982 und 1987 überschreitet und sich an die Dimensionen der Weltwirtschaftskrise und der anschließenden Depression von 1929 bis 1940 annähert. [...] Wie sollen wir auf diese gigantische Herausforderung antworten?« [weiter ...]
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»Wollt ihr die Universität retten, so wie sie ist? Ich hoffe nicht. So wie sie heute ist, ist sie die Mühe nicht wert.« [weiter ...]
Sergio Bologna an die Studierenden in der besetzten Universität von Siena / Italien
Nur wenn der Kapitalismus an Grenzen stößt, gibt es ernsthafte Aussichten auf eine das Kapitalverhältnis radikal umstürzende Revolution
– das ist unser Grund, immer wieder auf die Krise zurückzukommen.
Ist eine Neuzusammensetzung denkbar zwischen Riots in den Banlieues, gegen ihre Abwicklung streikenden Belegschaften, Schüler- und StudentInnenbewegungen, den Streiks im Meer der Proletarisierung (GDL), den Kämpfen in vordem »garantierten« Sektoren (Finanz- und Versicherungswesen), Initiativen gegen steigende Wasser- und Energiepreise, und – warum nicht? siehe Argentinien! – wütenden SparerInnen? Eine Neuzusammensetzung, die sich auch auf die Kämpfe der chinesischen ArbeiterInnen bezieht?
Erster Teil – Artikel aus der Wildcat 82 zur »Globalen Krise» – auch als [.pdf]
Zweiter Teil – »23 Thesen zur kapitalistischen Krise« – mit weiterem Material zum nochmal Lesen und Weiterlesen
Der WTO-Gipfel im Juli 2008 scheiterte – zumindest propagandistisch – an der Frage der »armen indischen Bauern«. Die Beilage in diesem Heft kommt mehrfach drauf zu sprechen, dass sich die Situation in den neuen Industriezentren Indiens und die Dynamik der dortigen Klassenkämpfe nur vor dem Hintergrund der Situation auf dem Land verstehen lassen. [weiter ...]
Steve Wright, dem bekannten australischen Forscher der Bewegungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, verdanken wir diesen Band, der den Weg von Classe Operaia (1964-67), Potere Operaio (1969-73) und der Autonomia Operaia (1973-79) beschreibt: L'assalto al cielo. Per una storia dell'operaismo (mit einem Nachwort von Riccardo Bellofiore und Massimiliano Tomba), Rom Edizioni Alegre, 2008, 334 Seiten, 20 Euro). Dank eines neuen Interesses am Operaismus, wie Bellofiore und Tomba in ihrem Nachwort feststellen, folgt der englischen Erstauflage von 2002 und der deutschen von 2005 nun die italienische in der Übersetzung von Willer Montefusco. Steve Wright rekonstruiert diese Geschichte, die allzu lange den Plädoyers der verschiedenen Gerichte überlassen war – mit Ausnahme des wichtigen Beitrags von Franco Berardi (La nefasta utopia di Potere Operaio, Rom, Castelvecchi, 2003). Mit bemerkenswerter Sensibilität, die vielleicht auch von der wechselhaften Geschichte der von ihm erforschten Arbeiterbewegungen geweckt wurde, bietet der Autor eine originelle und informierte Interpretation der Debatte, die den Operaismus der 60er und 70er Jahre prägte. [weiter...]
»Auf den ersten Blick scheint er das Bild einer überausgebeuteten Dritt-Welt-Arbeiterklasse zu unterstreichen: schon in frühen Jahren ausgelaugt durch 16-Stunden-Schichten und Tuberkulose, keine Zukunftsaussichten – ein Opfer. Was in Manus Bericht nicht auftaucht, sind seine eigenen Aktivitäten, sein wenig opfermäßiges Wesen. Er ist für einen überausgebeuteten meist erstaunlich gut gelaunt, hat zu viel zu lachen und stellt den älteren Genossen der Faridabad Majdoor Samaachaar (FMS) zu viele intelligente Fragen. Er hat die Genossen beim Verteilen ihrer Zeitung auf dem Weg zur Arbeit kennengelernt, auf dem unbeschrankten sechsgleisigen Bahnübergang des Güterbahnhofs Okhla. Er fand die Berichte der Zeitung interessant und nahm sich nach Feierabend drei Stunden Zeit, um in einer benachbarten Teebude seine eigene Geschichte zu erzählen. Seit dem macht er zwei Tage im Monat frei – seine einzigen arbeitsfreien Tage – um beim Verteilen der Zeitung zu helfen. Manchmal bringt er Kollegen mit oder vermittelt Kontakte zu anderen ArbeiterInnen, die ihre Erfahrungen in der Zeitung abgedruckt sehen wollen. [weiter...]
Seit ihrem Bestehen hat sich Wildcat intensiv mit der weltweiten Proletarisierung befasst. Sie ist der Schwerpunkt im nächsten Heft, das Ende August erscheint, mit einer 80-seitigen Beilage zur Situation in den neuen Industriezentren Indiens. Die Dynamik der dortigen Klassenkämpfe lässt sich nicht verstehen, wenn man nicht gleichzeitig die Situation auf dem Land in den Blick nimmt.
Seit den 1990er Jahren werden die »neuen Bauernbewegungen« als weltweite Avantgarde im Kampf gegen den »Neoliberalismus» und als wichtiger Teil der Antiglobalisierungsbewegung wahrgenommen. Entstanden waren sie bereits in den 1980er Jahren im Widerstand gegen den ausgeweiteten kapitalistischen Zugriff auf das Land im Zuge von »Strukturanpassung«, »grüner Revolution« und Agrobusiness. Der Aufstand in Chiapas hat dazu beigetragen, dass die Aktivitäten von BäuerInnen in allen Ecken der Welt Aufmerksamkeit erlangten: Bauernunruhen, Landbesetzungen, Aktionen gegen Großprojekte, bis hin zu bewaffneten Formen.
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