Heute (17. Januar) ist der 79. Streiktag der Stahl-Arbeiter von »Elliniki Halivourgia« in Aspropirgos. Der Streik hat am 31. Oktober begonnen, als der Fabrikbesitzer 15 Arbeitern durch Gerichtsvollzieher die Kündigung zukommen ließ. Heute beträgt die Anzahl der gefeuerten ArbeiterInnen 65, das sind rund 15 pro Monat.[weiter...]
Fast zwei Jahre Sparprogramme haben die soziale Lage in Griechenland extrem verschärft. Das am 20. Oktober beschlossene weitreichende Sparpaket (»Multi«-Gesetz) setzt diesen Prozess fort und bringt weitere drastische Einschnitte für Millionen Menschen. Die bereits reduzierten Gehälter der Angestellten im öffentlichen Dienst und viele Renten werden nochmals um etwa 20 Prozent gekürzt. Es wird zu Massenentlassungen kommen. Alleine 30 000 Staatsbedienstete werden in die sogenannte »Arbeitsreserve« geschickt. Das heißt, sie werden nach Hause geschickt und bekommen maximal zwölf Monate 60 Prozent ihres bisherigen Lohns weiter gezahlt. In dieser Zeit soll entschieden werden, was mit ihnen passieren soll. Sie werden danach entweder entlassen oder in Rente geschickt, einem Teil verspricht die Regierung aber eine weitere Anstellung über befristete Verträge. Auch in der Privatwirtschaft werden die Löhne wohl deutlich sinken. Hinzu kommen zahlreiche neue Sonderabgaben.[weiter..]
Um ihr zweimonatiges Bestehen zu demonstrieren, hatte die »Occupy Wall Street«- Bewegung für Donnerstag, 17. November 2011, zu einem Aktionstag in New York und landesweit aufgerufen. Trotz der Räumung des Camps im Zuccotti Park zwei Tage vorher, hielt die Bewegung am Aktionstag fest und einige Tausend beteiligten sich an verschiedenen Aktionen. Der Tag begann um 7 Uhr mit einer »Shut Down Wall Street«-Aktion; für 15 Uhr wurde zu »Occupy The Subways« in verschiedenen New Yorker Stadtteilen aufgerufen, unter anderem in Manhattan am Union Square zu einer massenhaften Streikversammlung von StudentInnen; und um 17 Uhr zu einer Versammlung zur Unterstützung von ArbeiterInnen im Kampf um Arbeitsplätze am Foley Square .
Das linke Online-Magazin Insurgent Notes um Loren Goldner verteilte bei den Protesten das untenstehend übersetzte Flugblatt (Fußnoten von wildcat), das nach der Bedeutung der Proteste und der möglichen weiteren Entwicklung fragt.
Nach zwei Monaten der Besetzungen und nachdem sie in Portland, Oakland und jetzt in Manhattan angegriffen wurden, könnte die Occupy-Wall-Street-Bewegung (OWS) heute kurz davor stehen, einen Schritt weiter zu gehen – die massenhafte Versammlung der StudentInnen am Union Square und die von ArbeiterInnen am Foley Square könnten versuchen, den zunehmenden Ruf nach einem Generalstreik in die Tat umzusetzen. Dann sollten nicht mehr nur Plätze, sondern auch Häuser im Hinblick auf den kommenden Winter besetzt werden. Darüber hinaus sollten Betriebe besetzt werden, wodurch die Arbeiterklasse das ganze System blockieren könnte. Dies wäre ein weiterer Schritt in die Richtung, die Verwaltung der Gesellschaft auf eine völlig neue Grundlage zu stellen. Was immer heute (am 17. November) und in der kommenden Aktionswoche geschehen mag, es ist an der Zeit, die Stärken und Schwächen der Platzbesetzungen in New York und in den ganzen USA abzuschätzen. [weiter]
26. Oktober, BRD
Der Bundestag beschließt die Verlängerung der Anti-Terrorgesetze um weitere vier Jahre und ermächtigt
Merkel zur ›Eurorettung‹. Die Renten steigen nächstes Jahr im Westen um 2,3 im Osten um 3,2 Prozent. Die
IG Metall fordert sieben Prozent im Stahlbereich. Vor der EZB in Frankfurt stehen 90 Zelte (Occupy Frankfurt! – ein Interview, S. 56).
26. Oktober, Griechenland
Die Regierung beschließt das vierte Sparpaket, die Löhne von Staatsbediensteten und viele Renten werden
noch einmal um rund 20 Prozent gekürzt, 100.000 sind auf der Straße und im zweitägigen Generalstreik. (S.16)
Gestern vor zehn Jahren hat sich unser aller Leben verändert. Am 25. Oktober 2001 erblickte der US Patriot
Act das Licht der Welt – die Mutter aller Anti-Terror-Gesetze, die in der westlichen Welt folgen sollten. Pünktlich zum Jahrestag setzt eine heftige Räumungsserie gegen die Occupy-Bewegung ein (Oakland, Atlanta,
Baltimore) [weiter]
Seit Juni 2011 kämpfen 3500 ArbeiterInnen bei Maruti Suzuki in Manesar. Ihr Streik sprang auf andere Automobilfabriken des Industriekorridors über und legte das weltweit drittgrößte Autowerk im benachbarten Gurgaon lahm. In der wohl bedeutsamsten Klassenkonfrontation in Indien seit zwei Jahrzehnten haben die Arbeiter an mehreren Punkten die Spaltung in Festeingestellte und LeiharbeiterInnen durchbrochen. Somit greift der Kampf den harten Kern des indischen Entwicklungsmodells an und stellt dieses in Frage: Einbindung in die globale Produktion auf höchstem technologischem Niveau, bei schärfster Prekarisierung der ArbeiterInnen mit allen Mitteln. Das geht von lokalen Sklavenhändlern, die mit Schrotflinten auf sie losgehen bis zur individuellen sms aufs Handy jedes Streikenden. [weiter..]
Mimmo Perrotta, Devi Sacchetto
Nach 13 sehr schwierigen Tagen ging der Streik auf dem Hof Boncuria in Nardò (Lecce) Mitte August zuende.[...] Aber trotz all seiner Grenzen hat der Streik der afrikanischen Arbeiter in Nardò gezeigt, dass es möglich und notwendig ist, sich auch unter schwierigsten Bedingungen selbstbestimmt zu organisieren und bessere Arbeits- und Lebensbedingungen einzufordern. Das müssen wir alle in den kommenden schwierigen Monaten im Kopf behalten, nicht nur die MigrantInnen. [weiter..]
Seit am 30. Juni ein eintägiger Streik zu leichten zusätzlichen Unterbrechungen im öffentlich-privaten Verwaltungsbrei geführt hat, diskutierten die Gewerkschaften besorgt darüber, ob sie eine weitere Teilschließung der Disziplinarmaschinerie an Schulen und Arbeitsämtern riskieren sollen. Am Montag, den 8. August, wurde ihre quälende Sorge jedoch überflüssig gemacht: ein Aushang an der Wand des Arbeitsamtes in Brixton verkündete, dass die Verhörzimmer ‘wegen unvorhergesehener Umstände’ geschlossen seien und dass alle Sozialleistungen voll ausgezahlt werden würden [...]
Während jede, die in einer Riot-Zone lebt und Klassengegensätze ernst nimmt, eher zögern würde zu sagen, was da los ist, kreischen HNWIs (High Net Worthlessness Individuals) aller Art ungehemmt nach Klassenkampf. [weiter..]
Die Riots vom 6. bis 8. August 2011 wurden schnell mit den Riots von 1981 und 1985 verglichen. Damals zitierte die Wildcat aus dem Buch Like a summer with a thousand July's: »Zehn Tage Anfang Juli 81 veränderten England. Das Land wird nie wieder so sein wie früher. Alle größeren Städte wurden von Jugendkrawallen erschüttert. Gelangweilte Jugendliche machten sich mit Feuereifer auf, einen Abend mit Plünderungen und Brandschatzen zu verbringen.« Der Staat reagierte mit harten Knaststrafen, Schwimmbädern und neu eingerichteten Jugendclubs.
In der jetzigen Situation ist kaum mit Zuckerbrot zur Peitsche zu rechnen, zumindest deutet die Kampfrhetorik nicht darauf hin, noch würde es zur derzeitigen Austeritätspolitik passen.
Der Artikel zu Großbritannien aus der letzten Wildcat fasst die aktuellen Spar- und Disziplinierungsvorhaben und die Situation der Klasse zusammen. In Bezug auf die Riots in Bristol im April diesen Jahres stellt er fest: "Ein Riot ist keine Bewegung und auch kein Beweis dafür, dass es eine geben könnte" und fragt danach, wo und wie längerfristig Solidarität und Macht über Communitiy-Grenzen hinweg entstehen kann.
... GB: Unbeschränkte Haftung und nichts zu verlieren?
Im Londoner Stadtteil Hackney gab es vor allem am 08.08.2011 Auseinandersetzungen mit der Polizei. Der Artikel zu Großbritannien in der Wildcat 88 beleuchtet am Beispiel von Hackney die Krisenangriffe und das Verhalten der Proleten.
... krise kriegen in hackney
»Jetzt wird gestreikt!«, hallt es am Samstag durch den Bauernhof Boncuri in Nardò bei Lecce. Afrikanische Arbeiter, die aus ganz Italien zur Ernte hier zusammengekommen sind, rufen das in ein Megafon. 60 Prozent der eilig abgeschlossenen Wassermelonenernte vergammeln auf den Feldern, unter anderem weil Melonen zu Schleuderpreisen aus Griechenland und der Türkei importiert werden. Nun sollen die Migranten Tomaten ernten. Auch hier sind die von den ebenfalls afrikanischen Vorarbeitern [caporali] festgelegten Löhne noch niedriger als letztes Jahr: 3,50 Euro pro 100 Kilo-Kiste bei großen, sieben Euro bei Kirschtomaten. Als dann am Samstagmorgen noch die Anweisung kommt, dass die Tomaten auf den Feldern gleich noch sortiert werden sollen, kommt es zum Streik. 40 Arbeiter stellen die Arbeit ein und gehen zum Hof zurück, wo der Verein Finis Terrae und die Brigate di solidarietà attiva (BSA) sie seit zwei Jahren beim täglichen Überleben und mit einer seit letztem Jahr laufenden Kampagne gegen Schwarzarbeit unterstützen. In einer schnellen Versammlung um halb sechs morgens beschließen die Migranten, die nahe gelegene Staatsstraße zu blockieren, was allerdings durch das sofortige Eingreifen der Polizei nur kurzfristig gelingt.[...]
Aus Wildcat 90:
In allen Krisen des Kapitalismus haben sich die Kräfteverhältnisse zunächst zu Ungunsten der Arbeiterklasse verändert. Auch diesmal wurden weitere Verschärfungen durchgedrückt (die Arbeit intensiviert, Reallöhne gesenkt, Sozialtransfers gekürzt). Wir erleben die größte Umverteilung von unten nach oben in der Geschichte der Menschheit. Diese verläuft aber nicht nur als krasse Polarisierung zwischen den »Superreichen« und den »Armen«, die Krise(npolitik) vertieft auch die Unterschiede innerhalb der Klasse selber und treibt die Vereinzelung voran. [more...]
Aus Wildcat 90:
Eine Revolution wird nicht in 18 Tagen auf dem Platz der Freiheit vollendet, sie ist ein Prozess, der sich nicht auf ein Land beschränken lässt. Im Mittelpunkt der globalen Kampfwelle steht momentan zweifellos Nordafrika. In ägypten gärt die Unruhe weiter – mittlerweile wird von der zweiten oder dritten Revolution gesprochen. Wieder werden im ganzen Land öffentliche Plätze besetzt; diesmal richte sich der Protest gegen die Militärführung an sich, sagen viele der Aktivisten. Ob es bei der Masse der Menschen tatsächlich große Illusionen über den Charakter des Militärs gegeben hat, sei dahingestellt. [more...]
Aus Wildcat 90:
Am 18. Juni wurde in Mekka die indonesische Hausangestellte Ruyati Binti Sapubi von den saudischen Behörden öffentlich hingerichtet. Mindestens 22 weitere Indonesierinnen und ungezählte andere Gastarbeiter sitzen im Königreich in der Todeszelle. 113 indische Arbeiter begingen letztes Jahr in den Emiraten Selbstmord.Das Gesellschaftsmodell der arabischen Ölländer am Golf und in Libyen ist ein extrem rassistisches Apartheidsystem, in dem eine Minderheit von »Einheimischen« staatlich alimentiert wird und die arbeitende Mehrheit aus anderen arabischen Ländern oder Südostasien kommt. Dieses System kommt nun an seine Grenzen. Die einheimische Jugend fordert nicht nur einen »goldenen Käfig«, sondern soziale Perspektiven – und die migrantischen ArbeiterInnen haben haben in den letzten Jahren zunehmend militante Kämpfe geführt. [more...]
Im Gefolge der Französischen Revolution entstanden drei Weltanschauungen, welche die nächsten zwei Jahrhunderte geprägt haben: der Konservativismus, der Liberalismus und der Sozialismus. Der Konservativismus, eine europaweite Gegenrevolution, wollte in Reaktion auf die Französische Revolution eine Restauration. Gegen diese entstand der Liberalismus, der für Fortschritt, Entwicklung und Modernität eintrat. Später spalteten sich aus der liberalen Strömung die Sozialisten ab, sie wollten die Geschichte beschleunigen, Revolution. [weiter...]
Steven Colatrella
Sparpolitik ist zum weltweiten politischen Regime geworden. Überall wird sie in Form von Sozialkürzungen, Lohnsenkungen und Massenentlassungen im öffentlichen Dienst durchgesetzt, dazu kommen neue Gesetze gegen die Arbeiterorganisationen. Sie ähnelt sich in den unterschiedlichen Ländern auffallend und ist typischerweise auf Initiative von Institutionen der Global Governance wie IWF, EU, G20 oder WTO aufgelegt worden. Bei dieser Politik handelt es sich um Vereinbarungen zwischen Regierungschefs, und sie verfolgt ganz offen die Interessen eines kleinen Teils der Gesellschaft: die der Kapitalisten im Allgemeinen und des globalen Finanzkapitals im Besonderen. In diesem Sinne können wir Sparpolitik als ein Regime begreifen, eine durch das gemeinsame Handeln der Staaten durchgesetzte internationale Ordnung. Genau diese starke Übereinstimmung im Programm und den Klasseninteressen der Regierungen von Europa bis zum Nahen Osten, von Asien bis Amerika und Afrika, zeigen die Bedeutung der Global Governance als Projekt zur Vereinheitlichung der globalen herrschenden Klasse. [weiter...] [english version]
Am Sonntag gab es in Portugal vorgezogene Neuwahlen. Die sozialistische Minderheitsregierung war im März zurückgetreten, nachdem sie im Parlament keine Mehrheit für das vierte Sparpaket innerhalb von elf Monaten finden konnte. Die Wahlbeteiligung lag bei 60 Prozent. Die künftige rechtssozialdemokratisch-konservative Regierung hat angekündigt, dass sie die Sparauflagen von EU und IWF durchsetzen wird. [...]